
Als ich mit 5 Jahren das erste Mal auf den Skiern stand, kam niemandem in den Sinn, dass ich mal Ski-Rennläufer werden sollte. Meine ersten Erlebnisse auf den Brettern, und das waren früher wirklich noch Bretter, hatte ich in Lech am Schlosskopf-Lift. Dieser steht noch original an derselben Stelle, wie vor 51 Jahren, nur die Sessel sind etwas moderner geworden. Und das Gefälle war hier ideal, das Skifahren schnell zu erlernen. Doch schon in meinem ersten Winter war die hohe Geschwindigkeit das Wichtigste für mich. Wenn ich mit meinem Vater auf die Piste ging, musste er mir bei jeder Fahrt sagen, ich soll Bögen machen. Wenn er das mal vergessen hat, fuhr ich automatisch Schuss. Ein Jahr später genoss ich bereits einen kleinen Ski-Urlaub mit meiner Mutter, die sich als meine erste Betreuerin gar nicht schlecht geschlagen hatte. Ich erinnere mich auch an ein tolles Erlebnis mit Egon Zimmermann aus Lech, Olympiasieger und Weltmeister. Er trainierte damals nach einem schweren Autounfall für sein Comeback am Schlegelkopf. Ein paar Meter weiter fuhr ich dann auch mein erstes Rennen, das Skischulrennen unserer Skigruppe. Es sollte mein letztes Rennen auf diesem Niveau bleiben. Schon bald rekrutierte mich mein Vater und wir gingen sehr oft Schifahren und bald auch zum Training mit Slalomstangen.
Erste Rennen
Meine ersten Renn-Erlebnisse waren natürlich im Kindesalter auf Regionalebene Vorarlberg. Ich bin heute noch erstaunt, dass ich mit nur 8 Jahren die Klasse der bis 11 jährigen bei der Landesmeisterschaft 1972 gewinnen konnte. Ab und zu gab es sogar «Auslandseinsätzen» im Tirol. Hier lag ich mit einem gewissen Hubert Strolz im Zimmer. Seines Zeichens später Olympiasieger in Calgary 1988 und erfolgreicher Weltcupfahrer. Aber das Siegen war für uns zwei nicht immer an erster Stelle, wegen einem jungen Mädchen aus Hohenems, die verdammt gut gefahren ist. Sie hiess Cornelia Mathis und sah einfach umwerfend aus. Leider war sie mit ihren 12 Jahren für uns junge Hüpfer unerreichbar. Da wir damals die Rennen oft gemischt fuhren, also Mädchen und Jungs zusammen, war es jeweils unser oberstes Ziel, Conny zu schlagen. Aber das gelang uns eigentlich nur selten, was sie für uns noch exotischer machte.
Mein Vater sah aber damals schon, dass es für mich eine Zukunft als Skirennläufer gab. Er beschäftigte sich mit neuen Möglichkeiten zu trainieren. Darunter war auch die Idee, selbst einen Lift zu bauen, um jederzeit unabhängig von allen anderen, trainieren zu können. Die ersten Lifte bauten wir dann Mitte der 70-er Jahre auf dem Säntis im Appenzellerland und am Bödele, oberhalb von Dornbirn. Die Slalomstangen besorgten wir uns aus dem Wald, wo wir jeden Frühling an die 300 Jungbäume schlägerten, die uns als Slalomstangen dienten. Damals kein Problem für die Grünen, weil es diese noch nicht gab. Die Lifte waren teilweise aus Rasenmäher- oder Moped-Motoren konstruiert. Die Umlenkstation am oberen Ende wurde mit einer Autofelge versehen, was problemlos funktionierte. Diese Felge hängt noch heute an selbigem Baum in Schwarzenberg! Als Bügel nutzten wir Aluminium-Klemmbügeln, die ich beim Runterfahren durch den Slalom um den Bauch band. Sicherheitssysteme bei der Ausstiegsstelle des Lifts? Fehlanzeige. Einmal verhedderten sich meine Haare beim Ausstieg im 4-mm dünnen Lift-Seil, dass einen starken Drall beim Loslassen entwickelte. Ich wurde einige Meter an den Haaren mitgezogen bis sie dann rissen. Die rechte Kopfhälfte war ohne Haare und ich blutete grossflächig am Kopf. Wäre der Pullover anstelle meiner Haare hängen geblieben, wäre ich ohne Abstellvorrichtung in die Umlenkstation hineingezogen worden und das wäre eventuell sogar mein Ende gewesen. Damals war das etwas anders. Nach einer kleinen Pause fuhr ich doch noch ein paar Läufe bis es dunkel wurde.
Die Schule kam durch das immer intensiver werdende Training und die vielen Reisen zu den Rennen immer kürzer. Weil ich deswegen viel Schule schwänzen musste, entwickelte ich Methoden, damit ich mit möglichst wenig Aufwand die Klasse schaffte. Erstens schrieb mir mein Freund Roman die wichtigsten Themen ab und das konnte ich dann im Auto oder im Hotel lernen. Dann überlegte ich mir auch, wie ich für die Prüfungen die effizientesten Schwindelzettel vorbereiten konnte, und darin war ich ziemlich gut. Und zu guter Letzt setzte ich mich prinzipiell bei schweren Prüfungen, neben dem Klassenbesten. Den scheuten zwar alle anderen Mitschüler, aber er half mir versteckt bei kniffligen Problemen durch die Prüfungen zu kommen. Das verhalf mir zu meinem ersten akademischen Erfolg, der «Lustenauer Matura». Diese Auszeichnung gibt es nur in Lustenau und bedeutet die Grundschule plus den kleinen Tanzkurs erfolgreich bestanden zu haben. Mein weiterer schulischer Weg führte mich dann über ein Fernstudium. Hier gab es dann keine Helfer mehr und ich musste über Jahre regelmässig lernen, um die wirkliche Matura zu schaffen.
Zurück zum Sport.
Die Schule war nie ein Hindernis für mich, meine Konkurrenten hingegen schon. Vor allem, als es in die Königskategorie, den Weltcup, ging. Gustav Thöni, Franz Klammer, Ingemar Stenmark, Phil und Steve Mahre und Andy Wenzel waren die damaligen Stars. Mein erstes Erlebnis mit den besten der Welt hatte ich mit 13 Jahren in Wengen beim Lauberhorn-Rennen. Durch meinen Skiverbandswechsel zu Luxemburg musste ich ein Jahr mit Rennen pausieren. Das ermöglichte mir, einmal beim Weltcup Vorläufer zu machen. Eine unglaubliche Chance für einen jungen Rennläufer wie mich. Als ich dann den Slalomhang von Wengen mit all diesen Stars besichtigte, wurde mir etwas mulmig. Der Hang war super steil und ziemlich eisig. «Na gut», dachte ich mir, «ich habe früher alles gewonnen, wieso soll ich hier nicht auch gewinnen». «Die kochen alle auch nur mit Wasser», dachte ich mir. Als erster Vorläufer mit TV-Präsenz stürzte ich mich in den Slalom. Ich hielt mich etwas zurück und konnte einen flüssigen Lauf ohne Fehler ins Ziel bringen. Aber ich war mir nicht sicher, ob das für eine Bestzeit reichen würde. Da meine Zeit als Vorläufer nicht auf der Tafel zu sehen war, wusste ich auch nicht, wo ich zeitmässig stand. Dann stürzte plötzlich der Rennchef von Kneissl, dessen Skier ich fuhr, auf mich zu und gratulierte mir aufgeregt. «Du hast eine Super-Leistung vollbracht, Marc! Du hast nur 4 Sekunden auf die Bestzeit von Stenmark verloren!» Ich war völlig geschockt, 4 Sekunden! «Das ist ja eine Ewigkeit», dachte ich mir. Die Situation besserte sich allerdings gleich danach, als Ingemar Stenmark persönlich auf mich zukam und mir zu meinem guten Lauf gratulierte. Wenn der beste extra deswegen zu mir kommt, um mir zu gratulieren, konnte meine Fahrt ja auch nicht so schlecht gewesen sein. Ingemar und ich sollten uns in den kommenden Jahren noch öfters begegnen, und wir sollten noch viele Duelle um Weltcupsiege auskämpfen.
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