
Ausnahmekönner und Naturliebhaber. Superlative gibt es viele im Alpinismus.
Hans Kammerlander gehört zu den außergewöhnlichen Bergsteigern unserer Zeit. Er hat als erster die Seven Second Summits auf allen Kontinenten bestiegen und das waren oft die schwierigeren Berge, als die höchsten Gipfel jedes Kontinents. Er ist vom Mount Everest und vom Nanga Parbat mit Ski abgefahren. In seiner Vita stehen rund fünfzig Erstbegehungen und fast sechzig Solo-Klettereien in schwierigen Alpen-Wänden. Er gilt als einer der ganz großen Allrounder des Alpinismus, im Fels, Eis und in extrem großen Höhen. Mit den Vorträgen über seine vielen Erlebnisse begeistert er ein breit gefächertes Publikum. Es war ein Weg voller Erlebnisse und teilweise sehr intensiver Erfahrungen, und mehr als einmal sehr nahe am Tod. Daran hat sich inzwischen so einiges geändert. Nicht dass Hans Kammerlander müde geworden und es leid wäre, sich seiner Leidenschaft zu widmen. Er geht die Dinge inzwischen anders an.
Marc Girardelli: Lieber Hans, ich habe kürzlich einen deiner vorzüglichen Vorträge über die „Matterhörner der Welt“ in Dornbirn besucht. Es war für mich fesselnd bis zum Schluss, wie man immer wieder solche extremen Heraus-forderungen sucht und dabei noch Spaß dran haben kann. Wie würdest du deinen Masochismus für diese, deine Leidenschaft beschreiben?
Hans Kammerlander: Mit bergsüchtig.Für mich sind die Berge wie ein Lebenselixier. Vielleicht hängt das auch mit meiner Kindheit zusammen. Ich bin ja auf einem Bauernhof relativ weit oben im Berg aufgewachsen und dort hat es kaum mal 10 Schritte im Ebenen gegeben. Das hat mich geprägt, bis heute.
Marc Girardelli: Mich hat vor allem beeindruckt, wie du diese Bergriesen mit den Skiern abgefahren bist. Everest und Nanga Parbat. Die Diamir-Wand, die schon so viele Tote gefordert hatte. Wieviel Überwindung hat es dich gekostet, in diese steilen Flanken einzustechen, obwohl du sicherlich körperlich schon am Limit agiert hast?
Hans Kammerlander: Ich habe mich ein Leben lang mit Ski fahren beschäftigt und bin viele steile Flanken und Rinnen in den heimatlichen Bergen abgefahren und irgendwann entstand der Wunsch, dieses Hobby auf den hohen Bergen der Welt umzusetzen. Das schwierigste am Nanga Parbat war der Start vom Gipfel, das hat mich viel Überwindung gekostet.
Marc Girardelli:Was waren nach deiner Erfahrung die gefährlichsten Momente deiner Bergsteiger-Karriere, und hast du noch daran geglaubt, lebend da raus zu kommen?
Hans Kammerlander: Ein Moment war 1991 am Manaslu, wo mein Freund Friedl Mutschlechner nur wenige Meter von mir entfernt durch einen Blitzschlag ums Leben kam. Selber wurde ich nur leicht verletzt. Und das auch nur, weil ich zufällig vor dem Blitzeinschlag meinen Rucksack mit Eisenteilen drinnen abgelegt hatte. Friedl hatte den noch am Buckel. Nur 3 Stunden vorher ist ja unser dritter Gefährte schon verschwunden und wir haben ihn im schlechten Wetter nicht mehr finden können. Eine Situation wie diese war für mich nicht zu vergleichen mit einer schwierigen Kletter-Situation. Wenn die besten Freunde wenige Meter neben dir sterben, für mich noch heute kaum zu beschreiben.
Marc Girardelli: Aber auch in den Alpen hast du früher Maßstäbe gesetzt. Allen voran deine Tour mit Reinhold Messer rund um Südtirol. Bemerkenswert war damals, dass genau zu dieser Zeit der Ötzi aus dem Eis der Similaun geschmolzen war und ihr auf der Similaunhütte genächtigt hattet. Wie waren damals diese Momente, als ihr den 5000 Jahre alten Eismann das erste Mal gesehen hattet.
Hans Kammerlander: Die Südtirol-Umrundung mit Reinhold Messner war eine meiner schönsten Unternehmungen am Berg. Dass wir an der Ötzi-Fundstelle vorbei kamen war ein purer Zufall. Es war für Reinhold und mich eine von vielen Gletscherleichen, die es ja öfters zu sehen gibt. Aber das es so ein Sensationsfund war, konnten wir nicht ahnen. Reinhold schätzte das Alter auf ca. 500 Jahre. Dass es dann 5000 Jahre waren, ist wirklich bemerkenswert. Eigentlich sehr schade, dass man dann bei der Bergung des späteren „Ötzi‘s“ noch unachtsam Sachen von ihm liegen ließ oder vom Gletscherwasser forttreiben ließ. Aber das meiste haben sie dann doch mitgenommen und es hatte sich ja dann wirklich herausgestellt, dass es eine Weltsensation war.
Marc Girardelli: Mit deinen 62 Jahren bist du nun auch nicht mehr so taufrisch für Höhenbergsteigen und extreme Wände. Was für sportliche Projekte treiben dich heute an?
Hans Kammerlander: Ich habe keinen Stress mehr am Berg, die Wettlaufzeit ist vorbei und jetzt kann ich meine Expeditionen wieder mehr genießen und habe viel mehr Zeit um die Berge rundherum zu erleben. Der Gipfel ist nicht mehr das Ein und Alles. Trotzdem habe ich noch schöne Ziele vor mir, denn Ziele sind mir wichtiger als Erinnerungen.
Marc Girardelli: Neben deinen bergsteigerischen Tätigkeiten hast du auch noch charitative Projekte aufgebaut. Um was genau handelt es sich dabei?
Hans Kammerlander: Seit 25 Jahren arbeite ich mit der Nepalhilfe Beilngries zusammen. Gemeinsam haben wir über 20 Grundschulen, 2 Waisenheime und eine Kinderblindenschule in Nepal aufgebaut. Das bereitet mir viel Freude und man erhält viel zurück. Wer noch mehr zu den einzelnen Projekten erfahren möchte, kann sich unter www.nepalhilfe-beilngries.de informieren.
Marc Girardelli: Dein Leben neben dem Bergsteigen? Wie schaut das aus, was machst du gerne, wenn du dich mal nicht am Limit bewegst?
Hans Kammerlander: Ich habe ein großes Hobby: Oldtimer. Mit denen ich bei schönem Wetter auch gerne einen Ausflug mache.
Marc Girardelli: Du hast eine Tochter, ist die auch so sportbegeistert, wie du? Ist sie mit dir schon auf Gipfel gestiegen?
Hans Kammerlander: Mit ihr war ich auch schon am Berg und auf den Skiern unterwegs. Ihre große Freude sind Pferde. Sie ist 10 Jahre alt.
Marc Girardelli: Auch dein langjähriger Bergpartner Reinhold Messner, hat sich in den letzten Jahren sportlich etwas gemäßigt. Ist aber dennoch auf anderen Gebieten sehr aktiv. (Anmerkung der Redaktion: Im Sommer 2014 machten wir das Interview mit RM). Hast du noch einen engen, freundschaftlichen Kontakt mit ihm?
Hans Kammerlander: Doch, aber wir sehen uns nicht regelmäßig. Jeder geht seinen eigenen Weg und ist viel beschäftigt.
Marc Girardelli: Als wir uns das letzte Mal bei einem deiner vollbesetzten Vorträge trafen, hast du mich zu einer Speckjause bei dir zuhause eingeladen. Steht dieses Angebot noch?
Hans Kammerlander: Auf jeden Fall und eine Oldtimertour ist auch noch drin. Was mich aber besonders freuen würde, wäre ein Skitag mit dir!
Marc Girardelli: Den bekommst du auf alle Fälle und ich freue mich jetzt schon drauf. Nur bitte ich dich, mich dabei nicht allzu sehr zu fordern.
Lieber Hans, ich bedanke mich bei Dir für dieses tolle Interview und hoffe, bald möglichst mit Dir Deinen Pustertaler Speck genießen zu können.