
Herr Messner, Haben Sie mit den Yaks in Sulden ihre langjährige Heimat nach Italien gebracht, oder das Heimweh nach der Ferne befriedigt?
Die Yaks haben Sulden am Ortler zu „klein Tibet“ gemacht und die Gäste erleben sie in einem ähnlichen Habitat wie im Hochland hinter den Himalaja- Bergen. Vor allem sind die Yaks ideale Landschaftspfleger zwischen 2000 und 3500 Meter Höhe. Ausserdem kann man hier die Gewohnheiten der Tiere viel besser studieren und für andere Tiere nutzen. So hat auch die Forschung Vorteile die man nutzen kann für Yaks und andere Pfanzenfresser.
Was war Ihr eindrücklichstes Erlebnis während Ihrer Bergsteigerkarriere auf den großen Bergen?
Die Tragödie am Nanga Parbat 1970: Mein Bruder und ich waren Tage lang in absoluter Todesgefahr. Als er verschüttet war, blieb ich allein am Ende der Welt zurück. Man ist auf hohen Bergen generell sehr alleine und man muss ständig mit dieser Einsamkeit kämpfen. Aber in meiner Situation damals, ohne meinen Bruder, kam ich mir vor wieder der einzige Mensch auf Erden. Kriechend schleppte ich mich tagelang durchs Diamirtal und ernährte mich von Moos, bis mich glücklicherweise Bauern gefunden hatten.
Bei Ihrer ersten 8000 Expedition erklommen sie mit Ihren Bruder die Rupalwand des Nanga Parbat. Ihr Bruder verstarb beim Abstieg ins Diamirtal. Aber Ihre große Himalaja- Karriere begann eigentlich erst mit dieser Katastrophe. Wie kann man, oder wie konnten Sie fast 20 Jahre lang die höchsten Risiken in Kauf nehmen, nach so einem traumatischen Erlebnis?
Nach einer Zeit der Trauer entschloss ich mich, unsere einst gemeinsamen Träume umzusetzen. In allen Bergregionen der Erde. Ich konnte meinen Bruder mit dem „Daheimbleiben“ ja nicht wieder lebendig machen! Seither beflügelt mich auch seine Energie, Kraft, Kreativität. Außerdem ist Günther in meinen Gedanken immer bei mir und hat deshalb in mir auch die höchsten Gipfel der Erde erklommen. Das ist für mich wichtig und hat mir sicherlich immer wieder die Kraft gegeben, in Extremsituationen durchzuhalten.
Auf manche 8000 pilgern die Touristen wie zum Vatikan. Ist das eine sinnvolle Entwicklung?
Sinnvoll oder nicht, die Pistenalpinisten an den Achttausendern sind eine Tatsache! Man muss ja nicht im Gänsemarsch nachsteigen. Und wenn sie es dann doch machen, passieren immer wieder solche Katastrophen wie 1996 am Everest, als 15 Menschen in verschiedenen Seilschaften am Berg blieben. Leute, die vielleicht noch nie einen ordentlichen Schneesturm erlebt hatten. Tragisch, aber auch absolut selbst verschuldet.
Verspüren Sie noch manchmal den Drang, eine ihrer berühmten Routen nochmals zu gehen?
Nein, dafür bin ich zu alt. Ich steige auch kleinere Berge – bis 6500 Meter etwa und klettere an leichteren Routen. Am liebsten in den Dolomiten. Ich wäre auch körperlich nicht mehr in der Lage, solche Anstrengungen durchzuhalten. Ich trainierte über Jahre wie ein Triathlet und Zehnkämpfer zusammen. Dazu kam noch die geistige Vorbereitung auf die Berge, die zum Überleben unentbehrlich ist. Damals gab es kein GPS mit dem man jederzeit weiss, wo man sich befindet. Ich musste mir die Berg-Flanken geographisch, blind einprägen, damit ich jederzeit wusste, wo ich bin. Vor allem bei meinen Alleingängen und ich machte ja vor allem Alleingänge.
Sie waren bei Ihrer Tour rund um Südtirol einer der ersten, die „Ötzi“ gesehen haben. Wäre das nicht etwas für Ihre Museen?
Der „Ötzi“ hat seinen Platz im archäologischen Museum in der Altstadt von Bozen gefunden. Dort gehört er auch hin. Natürlich erzählt er uns vom Bergsteigen, wie es vor 5300 Jahren praktiziert wurde. Es war schon ein sehr großer Zufall, dass ich gerade auf der Similaunhütte war, als Ötzi gefunden wurde. Kein Mensch hätte erwartet, dass der so alt ist. Ich vermutete so um die 500 Jahre. Aber dass es solch eine Sensation wurde, konnte sich keiner erträumen.
Wie kamen Sie auf die Idee, die MMM’s zu bauen?
Ich wollte mein Know How, meine Erfahrungen, also mein Erbe einbringen. Ehe es zu spät ist. Die Berge in Südtirol waren meine Schule, in Südtirol verbleibt so mein Erbe. Die Berge sind mein Leben und auch meine Philosophie. Nicht alle Menschen können mit Bergen etwas anfangen. Aber diejenigen die das können wissen, wovon ich spreche. Eine Tour oder auch nur eine Wanderung sind unglaublich entspannend und bringen einen auch für andere Aufgaben im Leben Energie.
Was für weiße Flecken oder Ziele gibt es noch in der Welt des Reinhold Messner?
Der Wald über Schloss Juval mit den vielen Lebenslinien, ein Bild bei Koller in Zürich, eine Erkenntnis über Mummery oder die Idee zu einem Buch – lauter Herausforderungen! (Anm. d. Red.: Juval ist das Schloss von R.Messner im Vinschgau; Mummery war ein Bergsteiger im 19.Jahrhundert, der am Naga Parbat 1895 zu Tode kam)
Was macht Reinhold Messner, wenn er mal nicht geschäftlich eingebunden ist, und einfach die Seele baumeln lassen kann?
Ich habe nie geschäftlich agiert in meinem Leben. Ich tue, was ich gerne tue, verfolge meine Ziele mit Leidenschaft. Nicht, was sie bringen, nur ob ich sie realisieren kann, zählt dabei. Jedes Unternehmen kostet auch Geld, es ist eine Voraussetzung, um handeln zu können. Ich folge dabei aber nicht dem Prinzip der Nützlichkeit, sondern der Sinnhaftigkeit. Am besten war ich jeweils, wenn ich zwischen Selbstverschwendung und möglicher Selbstzerstörung aktiv war.
Herr Messner, ich danke Ihnen für das Gespräch
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